München, 19.04.2013 Rechtssicherheit im Streit um die erbrechtliche Gleichstellung von nichtehelichen Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Stichtagsregelung im Erbrechtsgleichstellungsgesetz von 2011 verfassungsgemäß ist. Das Deutsche Forum für Erbrecht erläutert und kommentiert die Entscheidung.
Im April 2011 war es soweit: Mit dem Zweiten Erbgleichstellungsgesetz wurden uneheliche Kinder den ehelich geborenen erbrechtlich vollständig gleichgestellt, und zwar auch die Betroffenen, die nach dem 1. Juli 1949 geboren wurden. „Das bedeutet, dass sie nach dem Tod ihres Vaters erb- und pflichtteilsberechtigt sind und auch beim Tod von Verwandten des Vaters Erbansprüche bestehen können“, erklärt Matthias Rösler, Mitglied des Deutschen Forums für Erbrecht e.V. und Fachanwalt für Erbrecht in München. Dem Gesetz war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 vorangegangen, nach dem die vorherige Regelung, die vor dem 1. Juli 1949 geborene Kinder weiterhin benachteiligte, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstieß.
Die neue Gesetzesregelung trug dieser Entscheidung Rechnung – mit einer Ausnahme: „Für Erbfälle vor dem 29. Mai 2009 und damit vor der Entscheidung des Gerichtshofs bleibt es bei der Stichtagsregelung, wonach Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, keine erbrechtlichen Ansprüche nach dem Tod des unehelichen Vater oder dessen Verwandten geltend machen können“, erläutert Rösler.
Dagegen hatten zwei Betroffene geklagt, ein 1940 sowie ein 1943 geborener Mann. Sie machten Erb- und Pflichtteilsansprüche nach dem Tod ihrer 2006 und 2007 gestorbenen Väter geltend. Nachdem die beiden Klagen in allen Instanzen gescheitert waren, zogen beide Kläger vor das Bundesverfassungsgericht. Dieses hat die Verfassungsbeschwerden (Az. 1 BvR 2436/11 und Az. 1 BvR 3155/11) nun abgewiesen und die Stichtagsregelung im Zweiten Erbgleichstellungsgesetz damit bestätigt.
Die Begründung des Gerichts: Die Stichtagsregelung sei nicht am Maßstab von Art. 6 Absatz 5 Grundgesetz zu prüfen, der die verfassungsrechtliche Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder gewährleistet. Vielmehr sei abzuwägen, ob die Anwendung der Neuregelung für Erbfälle erst ab dem 29. Mai 2009 und damit eine Differenzierung nach dem Datum des Erbfalls verfassungsmäßig sei.
„Dreh- und Angelpunkt ist das Datum, an dem die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht erging“, erklärt Erbrechtsexperte Rösler. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge konnte dem Schutz des Vertrauens der Väter nichtehelicher Kinder und deren erbberechtigter Familienangehöriger nach der Entscheidung nicht mehr der gleiche Stellenwert zu kommen wie bisher angenommen.
Etwas anderes müsse aber gelten, wenn der Erbfall zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bereits eingetreten war, argumentiert das Bundesverfassungsgericht und schließt sich damit der Abwägung des Gesetzgebers an, die sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt. Denn würde man den Erben, die nach altem Recht vor dem Urteil berufen waren, diese Rechtsstellung wieder entziehen und einem unehelichen Kind des Erblassers den Vorzug geben, bedeutete dieser Entzug eine echte Rückwirkung, die verfassungsrechtlich nur in engen Ausnahmefällen möglich sei.
„Das Deutsche Forum für Erbrecht begrüßt diesen Beschluss“, sagt Forumsmitglied Rösler. „Der Beschluss schafft Rechtssicherheit nach der jahrelangen Diskussion um die erbrechtliche Gleichstellung unehelicher Kinder und die gesetzliche Stichtagsregelung. Das Bundesverfassungsgericht hat die Interessen und den Vertrauensschutz der Betroffenen in solchen Fällen gegeneinander abgewogen und ist zu einer ausgewogenen Entscheidung gekommen.“
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