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Wer wegen der Pflege der Eltern einen Erbausgleich von den Geschwistern verlangen will, sollte seine Leistungen genau dokumentieren
„Zehn Jahre lang habe ich meine demenzkranke Mutter zu Hause gepflegt, während mein Bruder und meine Schwester nur an Weihnachten und zum Geburtstag zu Besuch kamen. Nun ist die Mutter gestorben – kann ich bei der Verteilung des Erbes einen Ausgleich von meinen Geschwistern erhalten?“
München, 23.04.2014 Die Konstellation ist häufig und führt meist zum Streit: In einer Familie mit mehreren erwachsenen Kindern nimmt sich eines der alten und bedürftigen Mutter oder des Vaters an und pflegt das Elternteil unter Erbringung persönlicher und meist auch finanzieller Opfer zu Hause. Die Geschwister im Gegenzug nehmen sich aus der Verantwortung und kommen allenfalls sporadisch zu Besuch.
Für solche Fälle sieht das Erbrecht einen Ausgleichsanspruch für das pflegende Kind gegenüber den Geschwistern vor. Voraussetzung ist, dass die Kinder als gesetzliche Erben zur Erbfolge nach dem pflegebedürftigen Elternteil gelangen oder dass sie in einer letztwilligen Verfügung auf dasjenige eingesetzt wurden, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden bzw. in dieser Verfügung die Erbteile so bestimmt sind, dass sie im selben Verhältnis wie die gesetzlichen Erbteile zueinander stehen. Das pflegende Kind erhält dann bei der Erbauseinandersetzung einen größeren Anteil vom Nachlass als seine Geschwister. Ferner kann der Anspruch auf Ausgleich wegen Pflegeleistungen den Pflichtteil eines durch letztwillige Verfügung enterbten Abkömmlings beeinflussen.
Bei Erbfällen bis zum 1.1.2010 war es notwendig, dass das pflegende Kind wegen der Sorge für die Eltern Einkommenseinbußen hingenommen hatte. Mit einer Gesetzesänderung wurde diese Voraussetzung gestrichen, so dass pflegende Kinder mittlerweile im Erbfall noch stärker begünstigt sind. Ferner ist es nicht Voraussetzung für den Anspruch, dass das Kind die Pflege stets allein und persönlich vorgenommen hat. Es kann sich zur Unterstützung auch einer Pflegekraft bedienen, solange es diese selbst bezahlt.
Die gesetzliche Regelung löst aber nach wie vor nicht einen der größten Streitpunkte in solchen Fällen: Wie kann das pflegende Kind im Nachhinein nachweisen, in welchem Umfang es sich tatsächlich um Mutter oder Vater gekümmert hat und welche Leistungen genau erbracht wurden? Oft bestreiten die Geschwister im Erbfall schlichtweg, dass ein Kind sich in besonderem Maße um den Erblasser gekümmert hat.
Es ist deshalb ratsam, solche Pflegeleistungen in einem sog. Pflegetagebuch möglichst genau zu dokumentieren. Darin werden die einzelnen Pflegeleistungen exakt nach Datum und Uhrzeit festgehalten. Es kann auch ratsam sein, einzelne Einträge durch die gepflegte Person gegenzeichnen zu lassen. Dieses Vorgehen ist für das ohnehin belastete pflegende Kind zwar bürokratisch und aufwändig – letztlich bringt es aber mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Gänzlich vermeiden lässt sich die Problematik natürlich, wenn der Erblasser zu Lebzeiten ein mit fachmännischer Hilfe gestaltetes Testament errichtet und darin die Leistungen des pflegenden Kindes mit einer entsprechenden Zuwendung honoriert.