Wer als Angehöriger in einer letztwilligen Verfügung enterbt wird, kann versuchen, das Testament anzufechten – doch das ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich
„Nach dem Tod meiner reichen Tante vor drei Monaten haben wir erfahren, dass sie ein Testament errichtet hat, in dem der Tierpark als Alleinerbe eingesetzt ist und ich, ihr Neffe, völlig enterbt bin. Sie hat das getan, weil sie mich nicht ausstehen kann und Tiere gerne mag. Kann ich das Testament vielleicht anfechten, weil ich als Blutsverwandter benachteiligt werde und das Geld außerdem nötiger brauche als der Tierpark?“
München, 30.03.2015 Wer als Verwandter eines Erblassers in dessen Testament enterbt worden ist, geht leer aus. Er hat allenfalls einen Pflichtteilsanspruch, der aber nur engen Angehörigen (Abkömmlinge, Ehepartner und bei kinderlosen Erblassern die Eltern des Erblassers) zusteht, jedoch z.B. nicht Geschwistern, Nichten oder Neffen. Die Option, das Testament anzufechten und so doch noch die gesetzliche Erbfolge herbeizuführen, ist da verlockend. Doch viele der Gründe, die man nach Ansicht von juristischen Laien gegen ein Testament ins Feld führen kann, reichen für eine Anfechtung nicht aus.
Die wichtigsten, gesetzlich geregelten Gründe für eine Testamentsanfechtung sind:
– Irrtum über einen wichtigen Umstand oder eine künftige Entwicklung – der Erblasser hat zum Beispiel nichts davon gewusst, dass der von ihm eingesetzte Erbe eine kriminelle Vergangenheit hat. Der Irrtum muss ursächlich für die letztwillige Verfügung gewesen sein, d.h. ohne diesen Irrtum hätte der Erblasser anders testiert.
- Ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum – der Erblasser hat sich z.B. verschrieben oder hat Namen verwechselt.
- Der Erblasser hat das T estament aufgrund einer Täuschung oder einer widerrechtlichen Drohung errichtet – er hat das Testament z.B. geschrieben, während ihm eine Pistole an den Kopf gehalten wurde, oder ihm wurde eingeredet, ohne ein Testament zu Gunsten einer bestimmten Person erbe auf jeden Fall der Staat, obwohl er eine große Familie hat.
- Der Erblasser hat bei seiner letztwilligen Verfügung einen Pflichtteilsberechtigten übergangen, von dessen Existenz er nichts wusste (z.B. ein uneheliches Kind) oder der erst nach Errichtung des Testaments geboren wurde.
In dem Fall der Beispielfrage läge kein wirksamer Anfechtungsgrund vor: Die verstorbene Tante hat sich bei der Errichtung des Testaments nicht geirrt, sondern hat sich entschieden, ihre Familie zu enterben und den Tierpark zu bedenken. Die Testierfreiheit erlaubt es ihr, ihre Familie zu benachteiligen. Die Frage, wer das Nachlassvermögen nötiger braucht, spielte bei ihren Überlegungen überhaupt keine Rolle, so dass sie sich diesbezüglich auch nicht geirrt haben kann.
Liegt hingegen ein triftiger Anfechtungsgrund vor, so ist die Anfechtung gegenüber dem Nachlassgericht (und nicht etwa gegenüber der im Testament begünstigten Person!) zu erklären. Berechtigt zur Anfechtung ist jeder, dem die Anfechtung zu Gute kommt, also zum Beispiel ein Verwandter, der von der gesetzlichen Erbfolge profitieren würde, oder der Begünstigte eines früheren Testament des Erblassers.
Die Anfechtung eines Testaments ist binnen eines Jahres zu erklären. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.
Wichtig für Erblasser, die mit dem ersten Ehepartner ein wechselbezügliches Ehegattentestament errichtet haben und nach dessen Tod wieder heiraten: Wenn das Gemeinschaftliche T estament mit dem ersten Ehepartner eine wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung enthält, die nach dessen Tod bindend geworden ist, müssen sie diese anfechten, wenn sie den neuen Partner in einem neuen Testament bedenken wollen. Diese Anfechtung muss aber binnen eines Jahres nach der zweiten Heirat erklärt werden.
Wenn erst der neue Partner das T estament anficht, nachdem der Ehegatte und
Längerlebende der ersten Ehe verstorben ist, ist es für eine Anfechtung zu spät und der zweite Ehemann oder die zweite Ehefrau erhält im Zweifelsfall nur den Pflichtteil.