München, 01.08.2018: Durch den Fall Winterkorn ist sie in aller Munde: die „Güterstandsschaukel“. Viele Bürger fragen sich, was dies bedeutet. Dr. Anton Steiner Fachanwalt für Erbrecht in München und Präsident Deutsches Forum für Erbrecht e.V. erläutert: „Es handelt sich um ein vollkommen legales und von der Rechtsprechung anerkanntes Instrument, um bei begüterten Ehegatten, dem „Ärmeren“ Vermögen zu verschaffen, ohne dass Schenkungsteuer anfällt.
Um dies zu verstehen, muss man etwas über das deutsche Ehegüterrecht wissen:
Das Güterrecht regelt, wie Vermögen zwischen Ehegatten verteilt wird und welche Ansprüche bei Beendigung der Ehe bestehen. Dabei gilt in Deutschland der gesetzliche Güterstand der sogenannten Zugewinngemeinschaft. Dieser Güterstand gilt, wenn die Ehegatten durch Ehevertrag nichts anderes regeln.
Grundsätzlich bleibt dabei das Vermögen von Mann und Frau getrennt. Lediglich bei Beendigung der Ehe, sei es durch Scheidung, Tod oder Vereinbarung eines neuen Güterstandes durch notariellen Ehevertrag kommt es zu einem finanziellen Ausgleich, dem Ausgleich des Zugewinns. Dies bedeutet, dass derjenige, der während der Ehe weniger an Vermögen hinzugewonnen hat, von dem anderen einen Ausgleich verlangen kann.
Ein simples Beispiel:
Beide Ehegatten gehen mit null in die Ehe, bei Beendigung des Güterstandes hat der Ehemann 1 Million EUR Vermögen, die Frau nach wie vor null. In diesem Fall kann die Frau einen Zugewinnausgleich von 500.000 EUR verlangen.
Aber was hat dies mit der Schenkungssteuer zu tun? Das Steuerrecht erkennt an, dass ein solcher Zugewinnausgleich keine Schenkung, sondern ein gesetzlicher Anspruch des einen Ehegatten gegen den anderen ist. Daher unterliegt der Zugewinnausgleich weder im Erbfall noch bei Ausgleich zu Lebzeiten der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer.
Dies können sich Ehegatten zu Nutzen machen, indem sie zu Lebzeiten durch notariellen Ehevertrag vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft in den Güterstand der Gütertrennung wechseln. Derjenige Ehegatte mit weniger Zugewinn hat dann einen Ausgleichsanspruch, der steuerfrei erfüllt werden kann. In einem zweiten Schritt, daher der Begriff Schaukel, gehen die Ehegatten dann wieder zurück in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft, damit künftiger Zugewinn ebenfalls steuerfrei an den „ärmeren Ehegatten“ gehen kann.
All dies ist völlig legitim und sollte auch rechtspolitisch nicht kritisiert werden. Zu kritisieren ist vielmehr, dass unser Steuerrecht Ehegatten in solch komplizierte Konstruktionen zwingt. Ein Beispiel wäre die Schweiz, in der Vermögensverlagerungen zwischen Ehegatten generell steuerbefreit sind, weil man dort Ehegatten zu Recht als ein finanzielles „Team“ ansieht.
Aber nicht nur die Steuer kann ein Motiv für die Güterstandsschaukel sein. Auch das Insolvenzrecht spielt eine Rolle. Denn Schenkungen zwischen Ehegatten können Gläubiger oft anfechten, so dass kein Ehegatte seinen Gläubigern durch Vermögensverschiebungen an den anderen entkommt. Anders ist dies bei einem Zugewinnausgleich, dieser ist gläubigerfest. Im Fall Winterkorn dürfte dies das wesentliche Motiv gewesen sein.“